21. April 2022

Elektromobilität – wohin Deutschland steuert

Während die EU vollends auf Elektromobilität setzt, zeigen sich die asiatischen Staaten technologieoffen. 

Viele Autokonzerne wollen perspektivisch keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickeln. Eine Entscheidung, die den politischen Vorgaben der EU folgt: Um ausschließlich die Elektromobilität zu bevorzugen, ignoriert der europäische Gesetzgeber allerdings die Emissionsbilanz von E‑Autos und definiert sie mit null Gramm pro Kilometer. Dabei laden gerade in Deutschland viele Elektroautos real mit einem hohen Anteil an Kohlestrom. China ändert bis 2023 seine Regularien und hat die Türen für eine Vielzahl an Antriebstechnologien geöffnet – mit weitreichenden Konsequenzen für die Automobilindustrie.

Boardreport, das Magazin für Vorstände und Aufsichtsräte, sprach in der Ausgabe 01/2022 mit Dr. Richard Viereckl, Beirat von FourManagement und ein im Top-Management der europäischen Automobilindustrie anerkannter Experte für Vertrieb, Entwicklung und Produktion.

Herr Dr. Viereckl, während Deutschland einzig auf die E‑Karte setzt, testen die Asiaten vielfältige Antriebsmöglichkeiten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Wir sollten zwischen Regulierung der EU und den Strategien der europäischen OEM differenzieren. Tatsächlich haben mehrere OEM Ihre Strategien voll auf E‑Mobilität ausgerichtet und entsprechen damit dem politischen Willen in der EU. Faktisch entkoppeln sie sich damit aber vom Weltmarkt der mindestens sechsmal größer ist, als der europäische Markt. Ein Hersteller hat das allerdings erkannt und formuliert in seiner neuesten Strategie genau das und steuert um. Das gibt Hoffnung, ist aber nur ein erster Schritt. Fakt ist, dass fast alle Asiaten, in diesem Fall China, Japan, Korea, usw., den Verbrennungsmotor mit dem Ziel 50 Prozent Wirkungsgrad weiter entwickeln, um ihn dann mit Methan, eFuel oder Wasserstoff zu betreiben. Nichts deutet in der Physik darauf hin, dass ein Verbrenner per se dreckig ist. Es kommt darauf an, was man rein füllt.
China wendet sich von der starken Fokussierung auf Elektrofahrzeuge ab. Worauf führen Sie das zurück
Tatsächlich hat China in der neuesten strategischen Planung das NEV-Ziel auf 20 Prozent der Flotte gesetzt. Dies folgt der Erkenntnis, dass NEV eine Mobilitätslösung für die Kurzstrecke und nur in entwickelten Infrastrukturen bleiben wird. Dies liegt an den limitierenden Faktoren der Batterie-Technik. Zudem will China mit seinen Produkten auch andere Märkte erreichen in Tier 2 Ländern, die großflächig und mit unterentwickelter Infrastruktur sind. Dort gilt: Range is key. […]
Die Asiaten geben scheinbar jeder Antriebsstrategie eine Chance. Warum wir in Deutschland nicht. Sind wir kulturell nicht flexibel genug?
Dies ist aus meiner Sicht keine kulturelle Frage, da gerade wir mit Pluralismus, Vielfältigkeit, etc. in Europa historisch erfolgreicher umgehen, als die meisten Staaten dieser Welt. Dies ist eine volkswirtschaftlich, politische Strategiefrage. Solange wir Regulierung sehr einseitig politisch betreiben, ohne alle Perspektiven unserer Gesellschaft und Weltordnung zu berücksichtigen, kann sie in einer komplexen Welt nur so sein, wie sie ist. Man versucht mit juristischem Sachverstand physikalische und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Der Angelsachse sagt: „If you have a hammer, every problem will be a nail“. Um das Thema für uns und zur globalen Zielsetzung erfolgreich anzugehen, bedarf es eines gesellschaftlichen Grundkonsenses zwischen Politik, Finanz, Industrie und Öffentlichkeit. Die technischen Lösungen, die Unternehmer, die sie aufnehmen und in die Welt tragen und das Kapital dazu sind vorhanden. Solange wir aber die offene Diskussion dazu, wie so viele aktuelle Themen, unterdrücken, kommen wir nicht weiter, sondern verlieren kostbare Zeit im Kampf gegen die globale Erwärmung.

Das komplette Interview mit Herrn Dr. Viereckl steht Ihnen über den nachfolgenden Button zur Ansicht und zum Download bereit.